Aktuell haben wir in Deutschland eine Situation, die nicht alltägliches Geschäft in der Politik ist. Es gibt ernsthaft Probleme, eine Regierung zu bilden. Erst recht, eine sogenannte stabile Regierung.
Als Beobachter des politischen Treibens sind mir einige Dinge aufgefallen und es stellen sich mir einige Fragen.
1. Der Kanzlerkandidat der SPD unternimmt keinerlei ernsthafte Anstrengungen, eine eigene Minderheitsregierung zu bilden. Die Möglichkeit wird scheinbar nicht einmal ausgelotet. Dabei sagte Martin Schulz doch gerade im August und September sehr oft: «Ich will der nächste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland sein.»
Ja, und jetzt könnte er dochmal schauen, mit welchen Parteien es Schnittpunkte geben könnte. Macht er aber nicht. Warum?
2. Der Kanzlerkandidat der SPD, also wieder Martin Schulz, sagte am Wahlabend in der sogenannten «Elefantenrunde», dass es gar kein Problem sei, bei Frau Merkel und ihrer CDU Forderungen in Koalitionsverhandlungen durchzusetzen. Ich frage mich, warum hat das die SPD nicht 2013 schon getan und zweitens, was spricht dagegen, das dann jetzt zu tun?
3. Bedeutet ein prozentualer Verlust im Vergleich zum Wahlergebnis der Wahl davor automatisch, dass man «abgewählt» ist? Dann dürften sich aktuell nur wenige Parteien Hoffnung machen, die Regierung zu stellen. Das wären dann die Grünen und Die Linke (leichtes Plus) und die FDP und die AfD (großes Plus). Zusammengenommen würde selbst bei dieser absurden fiktiven Koalition aber nur zu 310 Sitzen reichen. Also weit entfernt von der Mehrheit im Bundestag.
4. Warum wollte eigentlich anfänglich niemand eine Minderheitsregierung und mittlerweile wird darüber ernsthaft nachgedacht? Sogar Frau Merkel ruft nicht mehr zwingenden Neuwahlen, wie sie es noch in der Woche nach dem Jamaika-Abbruch tat?
5. Wäre denn eine Minderheitsregierung wirklich der Untergang Deutschlands? Sicher, sie ist scheinbar nicht so stabil wie eine Mehrheitsregierung. Aber könnte eine Minderheitsregierung nicht viel Verbesserung im Sinne der Demokratie bringen? Breitere Mehrheiten, Kompromißbereitschaft, mehr Diskussion, weniger Politikverdrossenheit usw.?
6. Könnte bei einer Minderheitsregierung der Bundestag in Gänze nicht sogar viel besser seine eigentliche Aufgabe wahrnehmen? Die Kontrolle der Bundesregierung. Denn, das darf man nicht vergessen, laut Verfassung kontrolliert nicht die Opposition die Regierung, sondern der gesamte Bundestag!
Und die letzte Frage, gerne auch mit einem Augenzwinkern zu verstehen:
7. Was passiert denn eigentlich, wenn bis in vier Jahren keine neue Regierung gewählt wurde? Mein Tipp: Der Untergang des Abendlandes hat selbst dann nicht stattgefunden.